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Dienstag, 12. März 2013

Tag 292 - 299: Iznik


Tag 292 - 299
40° 25′ 45″ N, 29° 43′ 16″ E
2972Km - Iznik.
Mittwoch, 26.12.2012 - Mittwoch, 02.01.2013

1. Auf dem Jakobsweg

"Dort musst du unbedingt hin", sagte Faik, und holte eine Landkarte hervor welche er auf den ganzen Tisch ausbreitete. Er zeigte mit dem Finger auf ein kleines Städtchen mit dem Namen "Iznik", unweit von meinem derzeitigen Standort.
Er erzählte mir so bildhaft von diesem kleinen Städtchen am See, als ob er es mit seinen eigenen Händen aufgebaut hatte.
Da beschloss ich, einen kleinen "Umweg" in Kauf zu nehmen, mir das selbst anzuschauen und mich alsbald auf den Weg zu machen.
Der Herr, welcher mich zum Essen eingeladen hatte, verabschiedete sich, und sagte er müsse wieder zurück an die Arbeit. Auch ich stand auf und setzte meinen Weg fort.

Wenn man mit so einem großen Rucksack reist, nehmen einen die Menschen wahr und man bekommt viele Tipps, was man auf jeden Fall sehen und nicht verpassen sollte.
So ergab es sich, dass ich von Orhangazi nicht direkt nach Bursa ging, sondern erst noch einen kleinen Schlenker nach Iznik machte.

Soviel schonmal vorweg, der Weg hat sich gelohnt. Iznik ist definitiv eine Reise wert.
Noch nie zuvor habe ich so einen kleinen Ort gesehen in dem es, auf so engem Raum, so viel zu sehen gibt.

Allein der Weg dorthin ist malerisch. Kleine verschlafene Dörfer, Olivenbäume welche sich bis zum Horizont erstrecken, und ich glaube sogar noch bis weit dahinter. Da sich die Landschaft für Stunden nicht verändert, schweifen die Gedanken ab.
Ich dachte an den Jakobsweg, wo die Landschaft zeitweise sehr ähnlich dieser hier war...

Ich verliere mich in Erinnerungen, denke an den beschwerlichen Aufstieg in den Pyrenäen, die Dürre, die vertrockneten Felder und das grüne Galizien.

Ich sah die unvergessliche Ankunft in Santiago erneut vor meinem inneren Auge.
Erinnere mich noch genau wie es war, als ich den Duft in der Kathedrale roch und den Nonnen beim singen zuhörte.
Damals stiegen mir vor Freude Tränen in die Augen.
Ich dachte an das unverhoffte Wiedersehen in Santiago mit vielen Freunden welche wir kennengelernt haben und den guten Wein den es überall in Spanien gibt.

Und ich erinnerte mich, an einen Tag, ganz zu Beginn der Pilgerreise, in Saint-Jean-Pied-de-Port, einem 66 Jahre alten Mann begegnet zu sein, welcher in Linz, seiner Heimat, gestartet ist und bereits seit mehreren Monaten, mehr als 3.000Km zu Fuß unterwegs war.
So etwas schien zu diesem Zeitpunkt für mich unmöglich zu sein.
Angesichts dessen, dass ich gerade erst gestartet war, und der "ganze" Weg noch vor mir lag, fühlte ich mich damals sehr klein.
"Mit 66 ist es an der Zeit etwas verrücktes zu tun", scherzte er.
Vielleicht war es dieser fröhliche, jung gebliebene alte Herr welcher mir diesen Tritt verpasst hat und mich überlegen lies, das alles möglich zu sein scheint wenn man sich ein Ziel setzt und es ganz fest will.
Wenn er es in seinem Alter schafft, dann kann ich dies ebenfalls. Ich wollte nicht bis 66 warten, und fand, 31 ist auch ein gutes Alter um etwas verrückt zu sein.
Vielleicht war er es...
Jedes Leben, jede Begegnung mit einem anderen Menschen hinterlässt Spuren.
Meistens erfahren wir es nie...

Während diese Tage in Spanien gab es nur "den Weg" vor uns, und er hatte mich beinahe vergessen lassen, das es noch ein anderes Leben gibt, in das ich, nach der Ankunft in Santiago, wieder zurückkehren werde. Der Weg war zu einer einzigartigen Erfahrung geworden. Alles andere war unwichtig und sehr weit weg. Oder war ich es der weit weg war?

Ein lautes knattern reist mich aus meinen Gedanken und stört die Ruhe auf der sonst Autofreien Landstraße.
'Ich wäre gern noch länger in Gedanken gewandert', dachte ich.
Vater und Sohn sind gerade mit dem alten Traktor auf dem Weg zur Olivenernte.
Ich komme nicht drumrum ihnen mit einem Lächeln ein "Buenos dias" und "Buen Camino" zu wünschen. Sie blicken mich völlig verdattert an. Ich hätte genauso gut einen Handstand vor ihnen machen können...
Ich lachte in mich hinein und dachte nur: "Wer wird jeh einen Menschen ernst nehmen der alles hinter sich lässt um nach Tibet zu laufen?"



2. Weihnachten mit einem Buddha

Der Tag war nun schon ziemlich vorangeschritten und die Sonne würde bald hinter den Olivenbergen verschwinden.
Da die 47Km, von Orhangazi nach Iznik, für 1nen Tag zu weit waren, suchte ich, irgendwo in der Mitte der Strecke, nach einer Übernachtung.

Ein Mann verlässt soeben sein Haus. Er ist auf dem Weg zum Markt um noch ein paar Dinge zu besorgen welche er dringend benötigt. Er wollte dies bereits gestern erledigen, hat es jedoch aus Bequemlichkeit vor sich her geschoben.
Als er gerade in sein Auto einsteigen wollte, sieht er einen Herren mit einem Rucksack vorbeiziehen.
'Er ist sich sicher auf dem Weg nach Iznik', denkt er. 'Dieser Ort ist bei Touristen sehr beliebt, jedoch nicht jetzt zu dieser Jahreszeit. Es ist Ende Dezember und niemand verirrt sich jetzt dorthin'.
Verwundert beschließt er der Sache nachzugehen und spricht mich an.

"Hello my friend", ruft er mit tiefer Stimme.
Wir gehen aufeinander zu.
Er strahlt eine unbeschreibliche Gemütlichkeit aus und erinnert mich an einen Buddha.
"Bis Iznik wirst Du es heut nicht mehr schaffen. Die Sonne verschwindet in ca. 1h hinter den Bergen", sagt der Mann der sich mir als "Varuc" vorstellt.
Eh ich etwas sagen kann fährt er fort:
"Was machst Du allein mit dem komischen Ding auf Deinem Rücken in dieser verlassenen Gegend?"
Ich fange an, ihm kurz von meiner Reise zu erzählen.
Er unterbricht mich freundlich.
"Klingt unglaublich! Würd so gern mehr davon erfahren. Ich will nur grad im Markt ein paar Sachen besorgen. Wenn Du willst kannst Du mitkommen und heut Abend hier bleiben."
Gesagt, getan.

Etwas verwundert bin ich, als er im Markt sehr viele Kerzen kauft. 'Wozu brauchen wir die denn?', geht es mir durch den Kopf.
Als wir wenig später zurück im Haus sind ist es bereits dunkel. Nun sehe ich warum. Seit 2 Tagen gibt es hier keinen Strom.
Er schmeißt den Ofen an und schnell ist es angenehm warm. Kurze Zeit später gab es Abendessen, Fisch aus dem See den er am Vormittag selbst gefangen hatte.

Ich fragte ihn beim essen woher es käme das er fließend englisch spricht.
"In den 20 Jahren, in denen ich als Trucker durch die USA gezogen bin", fing er an zu erzählen, "habe ich einiges gesehen..."
Und er erzählte mir mit so einer Begeisterung von allen Orten wo er gewesen ist, und was er dort alles gesehen und erlebt hat, das Fotos garnicht nötig waren. (Diese sind auf dem PC, und ohne Strom läuft der leider nicht.)
Er möchte ebenfalls gern wieder reisen und sagt, dass die Fotos vielleicht eine schmerzliche Erinnerung für ihn gewesen wären. Wegen starken Rückenproblemen kann er seinen Job leider nicht mehr ausüben und kam deshalb in die Türkei zurück wo das Leben günstiger ist als in den USA.

Er ließt viel. Das ist seine neue Leidenschaft. Ich schaue mich durch sein Bücherregal durch, und entdecke einige Titel die ich ebenfalls bereits gelesen habe.

So endete der 2te Weihnachtsfeiertag für mich bei Candlelight Dinner und guten Gesprächen bis spät in die Nacht in einer warmen Hütte. Mitten im nichts, zwischen den Bergen, unweit vom See...

Am nächsten Tag geht es gut gestärkt um 10:30Uhr los.
Auf dem Tagesplan stehen die letzten 23Km bis nach Iznik.
Mein Rucksack war etwas schwerer denn Varuc hatte mir noch ein kleines Verpflegungspaket geschnürt.
Ein gerader, ebener Weg lag vor mir, immer weiter entlang der kleinen schmalen Landstraße welche den Linien des Sees folgt.

Nachdem ich einige Stunden gegangen war, merkte ich die Müdigkeit welche sich in der letzten Nacht angesammelt hatte. Doch ein Blick auf die Karte verriet mir, dass ich schon weiter gekommen war als ich dachte.
Da niemand in der Nähe war fing ich laut an zu singen.
Zum einen um wach zu werden, und zum anderen um für den nächsten Schulauftritt fit zu sein.
'An alles mögliche hab ich gedacht', dachte ich. 'Nur nicht daran Weihnachtslieder auf meinen mp3 Player zu spielen...'



3. Die 4 Wachmänner von Iznik

Als ich zum ersten mal aus der Ferne die alten Stadtmauern von Iznik sehe bin ich überwältigt. Ich betrete die Antik Romanische Stadt wenig später durch eines der 5 großen Tore.
Da der ganze Ort die Größe eines Vergnügungsparks hat, wundere ich mich lediglich über die fehlenden Kassenhäusschen.

Was hat Iznik alles zu bieten?
Eine Ayasofia, die grüne Moschee (das Wahrzeichen der Stadt), Kilometerlange Aquädukte, den See, an dem man wunderschön spazieren kann, 2 Hamam, jede menge Gräber da es hier in der Vergangenheit große Schlachten gab und natürlich die Stadtmauer die alles umgibt.

Wer Spaß daran hat Menschen bei der Arbeit zu zusehen, wird hier seine wahre Freude haben.

Iznik ist trotz der 7 Erdbeben, welche es in den letzten Jahrhunderten gegeben hat, sehr gut erhalten.
Archäologen sind täglich damit beschäftig, die durch die Erdbeben vergrabenen Teile der Stadt wieder an die Oberfläche zu bringen und aufwendig zu restaurieren.
Das ist besser als Fische in einem Aquarium zu beobachten.
Ich bin mir nicht sicher aber ich glaube einer von ihnen, der mit dem Cowboyhut, hatte eine Peitsche in der Seitentasche.
Vielleicht ein engagierter Animateur...

Auch ist Iznik wegen der Keramik sehr bekannt. Überall findet man kleine Geschäfte in denen Keramik von Hand gefertigt wird. Wenn man von den Archäologen noch nicht genug hatte kann man hier weiter Leute bei der Arbeit beobachten.

Eines Tages ging ich entlang der Stadtmauer spazieren. Die Kulisse erinnert mich sehr an ein aufwendiges Filmset. Es macht riesigen Spaß auf den Mauern und den alten Wachtürme herum zu laufen und sie von innen zu besichtigen.

Etwas verwundert war ich, als ich Rauch aufsteigen sah.
Ich war neugierig und wollte herausfinden woher dieser kam.
Inmitten der Ruinen entdeckte ich 4 Männer, welche um ein Lagerfeuer herum saßen, eine Pfanne im Feuer hatten und Wein tranken.
Ich war überrascht. Da sich in der Stadt kaum Touristen befinden habe ich nicht damit gerechnet hier, so weit außerhalb, Menschen anzutreffen.
Daher beschloss ich, sie eine Zeit lang aus der Ferne zu beobachteten.

Es war seltsam. Wie ein Film ohne Ton.
Was ich sah, sah ich ohne den Zusammenhang, ohne die Geschichte zu kennen welche dort erzählt wird.
Warum sie dort saßen weiß ich nicht, worüber sie sich unterhielten wusste ich auch nicht.

Als sie mich entdeckten riefen sie mich heran. Ich war zunähst erschrocken, fühlte mich ertappt.
Doch sie baten mich einfach sich zu ihnen zu setzen, und eh ich mich versehe wurde ich selber in diesem Film hineingezogen. 'Was für eine atemberaubende Kulisse', dachte ich.
Es verschlug mir den Atem. Es war, als wäre ich in der Zeit um 600 Jahre zurück versetzt. Das einzige was noch an die Realität erinnerte war unsere Kleidung und das klapprige Fahrrad.
Der Geist der alten Wachmänner, welche hier vor mehreren hundert Jahren das Tor bewacht haben, schien in diesen Männern weiter zu leben.

Ein Herr warf noch etwas Holz ins Feuer. Die Flammen loderten auf. Das Essen musste jeden Augenblick fertig sein.
Es war still. Zu hören war nur das knistern im Feuer und der Wind der durch die alten Mauern wehte.
Da wir keine gemeinsame Sprache sprechen verständigten wir uns nur mit Blicken.
Das hatte etwas geheimnisvolles.
Und obwohl wir kein Wort miteinander gewechselt hatten, verstanden wir uns ausgezeichnet.
Mehrere Stunden sitzen wir zwischen den alten Mauern, essen gemeinsam, trinken Wein und schauen schweigsam ins Feuer.
Vielleicht verstehen das nur Männer, doch ich fühlte mich in diesem Moment sehr wohl.



4. Silvester in Berlin

Nachdem ich mich verabschiedet habe, brauchte ich etwas Zeit um wieder in die Gegenwart zurückzukehren.
Ich laufe langsam vor mich hin. Wieder die Straße, der Wunsch lange durch den Ort zu gehen. Ich wähle den längst möglichen Weg um zu meiner Unterkunft zu gelangen.
Etwas, das an einem Baum angeschlagen ist, weckt meine Aufmerksamkeit. Ein Flyer besagt, dass die einzige Silvesterparty von Iznik, im Hotel "Berlin" stattfinden wird.

Jetzt muss man wissen das Silvester (genauso wie Weihnachten), in der islamisch geprägten Türkei ganz normale Tage sind und fast garnicht gefeiert werden. Wenn man nicht gerade in Istanbul oder einer anderen großen Stadt ist, gehen diese Feste fast komplett an einem vorbei .

Froh, eine Party gefunden zu haben und nicht allein feiern zu müssen, entschließe ich mich am Silvesterabend dort vorbei zu schauen...

Die Band spielte gerade das nächste Lied an. Alle waren verschwitz, fröhlich und ausgelassen.
Die Fröhlichkeit wirkte ansteckend.

Ich befand mich nun also allein auf einer Party, auf der ich niemanden kannte. Was für mich früher vielleicht unangenehm gewesen war, verschaffte mir nun ein großes Gefühl von Freiheit. Mich kennt ja auch keiner. Noch nicht.

Etwas zögerlich stelle ich mich zunächst etwas abseits der Menge an die Bar. Die Musik ist laut.
Ich schaue in den großen Raum voller fremder Menschen die mit den Köpfen dicht zusammen hängen um eine Unterhaltung führen zu können.
'Es wird schwer werden hier jemanden zu finden der meine Sprache spricht'.
Ich hatte ja keine Ahnung wie sich dieser Abend entwickeln würde...

"Where are you from?", hörte ich eine Stimme.
Ein Mann mittleren Alters, elegant gekleidet, mit Anzug und Krawatte stand plötzlich neben mir.
"From Germany", antwortete ich.
Gleichzeitig ging mir jedoch durch den Kopf, ob ich noch Deutschland sagen kann, nachdem ich das Land vor fast 1nem Jahr verlassen, und inzwischen 5 andere Länder durchquert habe.

Er stellte sich als der Besitzer des Hotels vor. Der Name kommt daher, da er und seine Frau lange Zeit in Berlin gelebt haben.
Wir hielten eine kurze Unterhaltung auf deutsch, ich beobachte ihn wie er sich etwas zu trinken bestellte. Es war kein Tee.
'Vielleicht sieht Allah Nachts nicht so gut', dachte ich verwundert. 'Oder er geht früh schlafen'.
Als er wieder zu seinen Freunden zurück wollte, nahm er mich am Arm, und bestand darauf, mich nicht alleine an der Bar zurück zu lassen, sondern mich mit an seinen Tisch zu nehmen.

Es hat viele Vorteile dass es nur 1ne Party in Iznik gibt:
Man trifft alle Persönlichkeiten an genau diesem Ort.
Ich sprach unter anderem mit dem Bürgermeister, welcher mich daraufhin gleich zu einem Fototermin für den nächsten Tag einlud. Auch dieser sprach etwas deutsch, und er erklärte mir, dass Berlin (Spandau) die Schwesterstadt von Iznik ist und er mind. 1mal im Jahr in Berlin sei. Ebenfalls kommen 1mal im Jahr Abgeordnete aus Berlin nach Iznik.
Er wollte dass ich mir Iznik ganz in Ruhe anschaue, weshalb er mir eine Unterkunft im Sportheim der Stadt gab. Dort durfte ich 1ne Woche lang bleiben.

Während der ganzen Zeit wird ausschließlich türkische Musik gespielt.
Ich brauche etwas um mich daran zu gewöhnen.
Das sehen die Herren am Tisch jedoch anders. Mit Handzeichen geben sie mir zu verstehen, dass es nun an der Zeit ist das Tanzbein zu schwingen.
Ich begebe mich mit ihnen vorsichtig auf die Tanzfläche. Ganz wohl fühle ich mich in dem Moment noch nicht.

Die Männer sehen, wie ich mich noch ungekonnt, und etwas verkrampft, zu der mir völlig neuen Musik bewege.
'Dem müssen wir helfen und Şikidim Şikidim beibringen', müssen sie wohl gedacht haben.
Schnell ist eine Linie gebildet, 2 Herren zu meiner linken, 2 zu meiner rechten, ich mittendrin. Die Aufregung war völlig umsonst, ich scheine es im Blut zu haben.
Die Schrittfolge ist selbst nach einigen Raki noch einfach zu beherrschen.
Als sie erkannten dass ich nun auf eigenen Beinen tanzen kann, lösten sie die Linie, auf und bildeten einen Kreis, ich wieder mittendrin.
Jetzt passieren merkwürdige Dinge.
Sie klatschen mir beim tanzen Geld auf die Stirn, was mir zunächst unangenehm war und ich nicht so recht wusste wie ich mich verhalten sollte.
Doch sie taten es nicht, weil bei mir auf der Stirn besonders viel Platz ist oder damit ich aufhöre und wieder verschwinde, nein, das ist türkische Kultur und wird bei allen so gemacht.

Doch das Geld behält man nicht, nicht alles.
Die Band zieht mehrmals vorbei und bekommt etwas, und wenn man andere gute Tänzer sieht bekommen diese ebenfalls etwas auf die Stirn.

Als ich die Party am Morgen verlasse, hatte ich noch ein plus von 20Lira. Höchststand zwischendurch waren 45Lira. Es war die erste Party in meinem Leben bei der ich mit Gewinn aus der Tür raus bin.

Das dicke Geschäft hat an diesem Abend die leicht bekleidete Bauchtänzerin gemacht.
Wobei sie garnicht viel getanzt hat. Wie das funktionierte habe ich jedoch noch nicht ganz verstanden.
Diesen Trick muss ich noch lernen...

Nach 1ner Woche setzte ich meine Wanderung wieder fort.
Ich genoss die Stille und Einsamkeit an einem Ort, der im Sommer sicher voller Menschen ist.
Langsam kam ich von 600 Jahren Vergangenheit wieder in die Gegenwart zurück...

...und ich bin sicher, die Ruinen von Iznik sollten nicht die einzige Spur bleiben welche die Römer auf meinem Weg nach Tibet hinterlassen haben...


Nachwort: Ich habe die 3.000Km Marke dann 2 Wochen später überschritten...

Falls dies ein Mann aus Linz lesen sollte, der im April 2009, im Alter von 66 Jahren den Jakobsweg gegangen ist (ich hoffe davon gibt es nicht so viele) möge er bitte mit mir Kontakt aufnehmen. Ihm ist dieser Blogeintrag gewidmet.

Wer zusätzlich noch mehr von der Geschichte dieses unglaublichen Ortes lesen will, findet auf Wikipedia einige Informationen:

http://de.wikipedia.org/wiki/%C4%B0znik















Montag, 11. März 2013

Tag 278 - 279: Das große vorsingen...


Tag 278 - 279
40° 46′ 0″ N, 29° 55′ 0″ E
2815Km - Kocaeli.
Mittwoch, 12.12.2012 - Donnerstag, 13.12.2012

Es ist erst 2 Wochen her das wir Istanbul verlassen, und den Asiatischen Kontinent betreten haben...
Mittwoch der 12.12.2012 war ein Tag welcher mir noch lang in Erinnerung bleiben wird...

Es ist gegen 16Uhr. Gamze ist gerade auf den Weg zur Schule als sie 2 merkwürdige Gestalten mit großen Rucksäcken auf sie zukommen sieht.
Sie ist schüchtern und spricht kaum englisch. Dennoch brennt sie darauf zu erfahren was die beiden machen. Nie zuvor in ihrem jungen Leben hatte sie so etwas gesehen.
Sie nimmt all ihren Mut zusammen und spricht uns an.
"Wenn ihr mit den großen Rucksäcken in die Schule wollt, die ist dort, da seit ihr gerade dran vorbei."

Da ihr Englisch sie bald verlässt, sie jedoch noch mehr von uns erfahren möchte, nimmt sie uns an die Hand und führt uns in die Schule.

Der Schulhof ist voll von Schülern. Sie stehen in Gruppen zusammen, unterhalten sich.
Im hinteren Teil des Schulhofs wird Volleyball gespielt.
Wir gehen an einer Gruppe von Schülern vorbei. Sie können ihren Blick nicht von uns abwenden, stecken lächelnd ihre Köpfe zusammen und tuscheln.
Was sie sich erzählen können wir nur vermuten...

Es geht sofort in die 2. Etage - Das Lehrerzimmer.
Dort finden wir ihre Englischlehrerin.
Ihr erzählen wir ausführlich in allen Details welchen langen Weg unsere Rucksäcke schon zurückgelegt haben, welche Länder wir bereisten und was es dort alles zu entdecken gibt.

"Könnt ihr das morgen vor der ganzen Klasse erzählen?", fragt sie mit leuchtenden Augen.
'Ich würde gern. Doch noch wissen wir nicht wo wir heut Abend bleiben werden', dachte ich.
Und als ob sie Gedanken lesen kann fährt sie fort: "Ihr könnt heut Abend bei uns im Lehrerwohnheim schlafen. Dort gibt es noch genug freie Betten."

Am nächsten Morgen bin ich etwas aufgeregt. Ist eine Weile her das ich in in einer Schule Vorträge gehalten habe.
Das letzte mal in Rumänien.
Es hat sich natürlich schon rumgesprochen das heute 2 Fremde in die Schule kommen.
Dort angekommen, sehen wir das alle Klassen schon an den Fenstern auf uns warten.
Ein beeindruckender Anblick welcher meiner Anspannung nicht sehr entgegenkommt.

Nachdem wir kurz im Lehrerzimmer waren, führt uns unser erster Weg in die Klasse 10c.
Die Lehrerin stellt uns kurz vor und wir halten unsern Vortrag. Das klappt sehr gut. Leanne und ich wechseln uns oft ab und ergänzen uns prima. Die Schüler stellen interessiert viele Fragen und die Lehrerin übersetzt.
Ich bin erleichtert und die Anspannung fällt allmählich ab.

Als wir fertig sind steht eine Schülerin auf und fragt ob sie uns etwas vorsingen darf.
Klar. Da haben wir nichts dagegen.
Ich wusste nicht worauf ich mich da einlasse. Doch dazu später.

Alles wird still. Gespannt warten wir auf den ersten Ton ihrer Stimme.
Sie kann wunderschön singen. Ich glaube sie ist die beste Sängerin in der Klasse und sich dessen vollkommen bewusst. Voller Stolz und Selbstbewusstsein trägt sie ihr Lied vor. Die ganze Klasse applaudiert. Und wir tun es ihnen gleich. Sie hat die Messlatte sehr hoch angesetzt.

Nun passiert etwas ungewöhnliches womit ich nicht gerechnet hatte.
Sie bitten mich etwas zu singen.
In dem Moment wünsche ich, dass sich vor mir ein großes schwarzes Loch öffnet durch das ich verschwinden kann.
Meine Unsicherheit kehrte schlagartig zurück.
Bis jetzt konnte ich meine Nervosität durch lautes reden verbergen.
Und natürlich versuche ich meine Nervosität zu überspielen, bin mir jedoch sicher das die Schüler diese zweifelsohne bemerkt haben.
Es ist leicht in den Gesichtern anderer Menschen zu lesen wenn man die Sprache und die Worte nicht versteht.

Ich zögere. Mit einem Lächeln sage ich: "Nein".
Doch im Grunde nur, um etwas zu sagen. Ich musste Zeit gewinnen.
Denn Jugendliche haben eine ganz bestimmte Eigenschaft: Wenn sie etwas wollen lassen sie nicht so einfach locker.

Ich weiß das es nur sehr wenige Menschen gibt die jetzt gerade mit mir tauschen wollen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass die Angst, sich vor anderen zu blamieren größer ist als die Angst vor dem Tod.
Da stand er nun. Er war über 2.800Km gewandert. Durch Länder wie Rumänien und Bulgarien. Und nun sollte er einer Schulklasse etwas vorsingen.
In solchen Momenten fühlt man sich sehr allein und hilflos.

Ich erinnere mich zurück an meine Schulzeit.
Wo ich unzähligen male vor der Klasse stand und die Hausaufgabe an die Tafel schreiben, oder ein Gedicht vor der Klasse aufsagen sollte, welches ich natürlich nicht gelernt hatte.
Das kennt sicher jeder wenn er sich an seine Schulzeit zurück erinnert. Und ich erinnere mich das Schule irgendwie nie so richtig Spaß gemacht hat...
Außer Biologie. Nicht weil ich das Fach besonders mochte, nein, sondern weil dass das einzige Fach war wo ich direkten Blickkontakt zu meiner Jugendliebe hatte...
Ich saß an der Fensterreihe, sie am anderen Ende des Raumes an der Eingangstür.
Einmal trafen sich unsere Blicke und die Zeit schien still zu stehen. Wir sprachen nie miteinander.
Ich habe es ihr nie gesagt...
Aber das ist 'ne andere Geschichte.

Zurück zur Gegenwart.
Mein Blick schweift auf die Schulglocke, welche neben der Uhr, über der Tür hängt.
Ich hoffe das die Schulglocke ertönt und mich aus dieser Situation herausholt. Doch das geschieht nicht.
29 Schüler gucken mich mit großen Augen an und warten darauf das ich zu singen beginne. Eigentlich 31 denn Leanne und die Lehrerin warten mindestens genauso gespannt.

Bevor ich nochmal Nein sagen kann fielen mir die Zeilen eines Liedes wieder ein:
"Do one thing every day that scares you. Sing!"
("Mach jeden Tag etwas wovor du Angst hast. Sing!")
(Baz Luhrmann - Everybody's free (The sunscreen song))

Ich hatte oft in meinem Leben Nein zu Dingen gesagt zu denen ich gerne Ja gesagt hätte.
Warum nicht diesmal ein Ja wagen?

Ich glaube, es sind nicht die Fehler die wir in unserem Leben gemacht haben welche wir bereuen. Es sind eher die Dinge die wir nicht getan haben.
Es muss ein schlimmes Gefühl sein wenn man im hohen Alter im Schaukelstuhl sitzt, auf seine Vergangenheit zurück schaut, all die verpassten Chancen und Gelegenheiten sieht, und sich fragt: Was wäre gewesen wenn...
Und dann keine Antwort zu finden weil man es nie versucht hat...

Der erste Ton kommt sehr zögerlich. Mein Mund ist trocken. Die Temperatur im Raum ist um gefühlte 30°c gestiegen. Schweißperlen bilden sich auf der Stirn.
Mit sehr weichen Knien singe ich: "Snow Patrol - Run"
Eines der wenigen Lieder dessen Text ich auswendig kann. Es gefiel mir sehr seit ich es das erste mal in einer dieser Casting Shows gehört hatte.

Was dann passierte weiß ich nicht mehr.
Ich erinnere mich an alles, nur nicht an den Moment wo ich zu singen begann.
Was ich weiß: Sie nahmen den Titel nicht wörtlich. Sie rannten nicht aus dem Klassenzimmer.
Und als ob die Pausenglocke geduldig zugehört hat, ertönt sie mit der letzten Note.

Zu meiner Freude durfte Leanne dann in der nächsten Klasse die gleiche Erfahrung machen und auch über heiße Kohlen laufen.

In den großen Pausen spielen wir auf dem Schulhof Volleyball. Neben dem Laufen meine lieblings Sportart.
Immer wieder kommen Schüler hinzu und sprechen mit uns.
Von einer Schülerin wurden wir eingeladen über Nacht bei ihr und ihrer Familie zu bleiben.

Die Lehrer und die Schüler reagieren sehr positiv auf unsere Vorträge.
Für den nächsten Tag bekommen wir noch einen Laptop und einen Projektor und können so einige Fotos präsentieren.

Etwas merkwürdiges stelle ich fest und spreche in den Pausen mit dem Direktor und einigen Lehrern darüber.
In den Klassen sind, für mich, ungewöhnlich viele Mädchen, jedoch relativ wenig Jungs.
"Ja, es ist merkwürdig aber das ist völlig normal in der Türkei", sagt der Direktor. Es ist eine Hochschule.
Hier werden die Klassen 9-12 unterrichtet.
Das Schulsystem schreibt 8 Jahre vor. (Früher waren es sogar nur 5 Jahre.)
Viele Jungen verlassen nach der 8. Klasse die Schule und wollen Geld verdienen.
Die meisten Mädchen hingegen machen noch die 4 Jahre Hochschule und beenden erst nach 12 Jahren die Schule.
Sie sind sehr gut ausgebildet, heiraten meist jedoch sehr früh und sitzen dann oft zu Hause und passen auf die Kinder auf...

Ich sang vor der Klasse, spielte seit sehr langer Zeit wieder Volleyball, wir haben mit den Schülern gelacht obwohl wir unterschiedliche Sprachen sprechen, ich habe mich an meine Schulzeit zurückerinnert und weiß das gewisse Dinge im Leben nicht nachholbar sondern für immer verloren sind.
Und was in dem Artikel über die Angst nicht drin stand war, dass die Angst vor dem Leiden größer ist als das Leiden selbst...

Um 16Uhr, als der Tag langsam zu Ende ging packten wir unsere Rucksäcke...
...gingen noch einmal ins Lehrerzimmer...
...und verabschiedeten uns.
Von allen Lehrern und vom Direktor.
Ein letztes mal gingen wir über den langen Flur nach draußen.
Als wir uns noch einmal umdrehen sehen wir unzählige Schüler welche uns an den Fenstern hinterher winken.

"Hey, wartet!", hören wir eine Stimme.
In dem Moment kommt uns ein Mädchen hinterher gelaufen. Wir bleiben stehen und erkennen...
...Es ist Gamze, das Mädchen welche uns 2 Tage zuvor in die Schule gebracht hat.
Garnicht mehr schüchtern, jedoch etwas aufgeregt, fragt sie uns wohin wir jetzt gehen.
Schulterzucken. Das wissen wir nicht.
Kurzes schweigen...
Sie sagt in bestem englisch: "Auf Wiedersehen, es war mir eine Freude euch kennenzulernen und ich wünsche euch eine gute weitere Reise."
Diese Sätze hatte sie extra in den letzten 2 Tagen geübt...

Sie schaut uns an, 2 Fremde die von weither gekommen, und nun in eine Welt weiterziehen werden die sie auch gern durchstreifen würde...
In ihren Augen sehen wir, dass sie gern so viel mehr sagen würde, sie kann nicht.
Sie lacht, dreht sich um, und läuft zurück in die Schule.

Wir verlassen langsam den Schulhof und schauen ihr noch einmal kurz hinterher. Sie hat bald ihre Abschlußprüfung.
Und eines Tages wird auch sie diesen Schulhof für immer verlassen, voller Freude auf das Leben...


Nachwort:
Leanne ist in Koaceli geblieben und unterrichtet dort die nächsten 3 Monate an der Universität englisch.
Seit Mitte Dezember bin ich wieder allein unterwegs...

PS.: Ein Datum wie den 12.12.12 wird es erst wieder in 100 Jahren geben. Ich war sehr froh so gute Erinnerungen an diesen Tag zu haben...














Tag 264 - Tag 269: Von Istanbul (Moda) nach Kartal - 19Km (2742Km)


Donnerstag, 29.11.2012 - Dienstag, 04.12.2012

Es geht heut erst sehr spät los. 15Uhr machen wir uns auf den Weg. Doch nicht etwa weil wir keine Lust haben, nein.
Der Grund für den späten Start:
Ferdi, unser heutiger Gastgeber ist erst um 21Uhr zu Hause. Ich hatte ihn bereits vor 2 Wochen in Istanbul kennengelernt und er lud uns ein bei ihm zu bleiben wenn wir auf der asiatischen Seite sind.

Mike ist schon wieder auf der Baustelle und so genießen wir allein mit Ann die Zeit bis zum Start bei ein paar Tassen Tee .

Der Weg führt uns für die nächsten Wochen sehr schön am Ufer des Marmara Meer entlang.
Heut geht es vorbei an Fischern, die untergehende Sonne im Rücken. Wir legen die 19Km recht schnell mit ein paar kurzen Pausen zurück.
Ferdi wartet nämlich schon mit dem Abendessen.
Er ist 24 und erst seit 2 Jahren wieder hier in der Türkei. Seine Eltern sind mit ihm in die USA ausgewandert als er 4 Jahre alt war.
Nun arbeitet er hier an der Universität als Englischlehrer.
Zusätzlich verdient er sich privat etwas Geld mit Englischkursen welche er an 4 Abenden in der Woche gibt.

Als wir am nächsten Morgen weiter wollen sehen wir Schwarze Wolken aus denen kräftiger Regen fällt.
Das gleiche am nächsten Tag und den Tag darauf und an dem Tag darauf und...

Viel passiert in diesen Tagen nicht. Vor die Tür lockt uns nichts, wir verbringen die Tage bei Ferdi im trockenen.
Am Abend Kochen und Grillen wir oft gemeinsam.

Doch ein für mich persönlich- historisches Ereignis geschieht:
Ich lege im alter von 31 Jahren hier in Kartal meine erste Schallplatte auf.
1981 geboren, war ich noch zu Jung und durfte noch keine dieser Kostbaren Schallplatten auflegen welche wir besaßen. Als ich dann alt genug war, und hätte können, hatte ich kein Interesse mehr.
Ferdi besitzt tatsächlich noch jede Menge Schallplatten und nennt auch ein geeignetes Audioabspielgerät sein eigen.
So kam es dass ich hier in in Kartal im Alter von 31 Jahren meine erste Schallplatte auflegte.
Simon and Garfunkel: Bridge over troubled water. Legendär!

Und ich bin mir sicher es wird nicht das letzte sein was ich zum ersten mal in meinem Leben tue...










Vom schreiben, dem reisen in der Türkei und dem Alltag...


Mit dem Übergang von Europa nach Asien hat sich einiges verändert und ich habe mich entschlossen den Blog in einer anderen Form weiter zu führen.
Ich werde nicht mehr detailliert jeden Tag, sondern hin und wieder mit Anekdoten und besonderen Ereignissen und Geschichten, welche mich persönlich sehr bewegt haben, berichten.

Was hat zu dieser Entscheidung geführt?
Ich weiß dass viele gespannt auf die nächsten Blogeinträge warten, und wie Ihr alle seht ist der Blog seit langem nicht mehr auf dem neuesten Stand.
Warum?

Zum einen ist es die Art der Reise. Sehr sehr oft kommt es vor das mich Familien zu ihnen nach Hause einladen. Nun ist das für die Familie ein sehr besonderes Ereignis das ein Tourist sich in ihr Dorf verirrt hat und bei ihnen zu Hause ist. Und wenn man in der Türkei von einer Familie eingeladen wird kommt man nicht drumrum mit ihnen bis spät in die Nacht zusammen zu sitzen.

Viele Menschen in der Türkei haben nicht die Möglichkeit zu Reisen.
Ich zeige ihnen die Bilder welche ich in den letzten 4 Monaten in der Türkei gemacht habe. Mit grossen Augen sehen sie die Bilder von Städten welche nur wenige 100Km entfernt liegen, in denen sie jedoch noch nie waren.
Alles was ich geben kann sind Fotos, meine Geschichte und Zeit.
Und ich gebe dies sehr gern. Sie geben ihre unendlich hohe Gastfreundlichkeit.

Die Begeisterung der Menschen ist unbeschreiblich. Sei es in der Schule oder auf der Straße.
Wenn man in der Türkei mit einem großen Rucksack durchs Land zieht fühlt man sich wie ein Nationalheld.
Man kennt das aus den Fernsehen. Die Leute stehen an den Straßen, jubeln dir zu, lassen alles stehen und liegen, kommen aus ihren Häusern raus, wollen sehen wer da vorbei zieht...

Wenn ich stehen bleibe und Pause mache dauert es nicht lang und ich habe eine Menschentraube um mich herum.
Man ist ein beliebtes Fotoobjekt.
Mehrere Handy Fotokamera shootings, meistens sind es die Männer welche meinen Rucksack bestaunen und darüber fachsimpeln.
Mit dem Rucksack durch die Türkei zu reisen ist definitiv nichts für Leute welche nicht gern im Mittelpunkt stehen.

Manchmal ist es einfach schwer die Zeit zum schreiben zu finden.
Ich möchte auch nicht ständig mit dem Handy da sitzen und das erlebte niederschreiben. Das wäre zum einen unhöflich den Menschen gegenüber, zum anderen fällt es mir schwer in dem Moment präsent zu sein.
Wenn man ständig darüber nachdenkt wie man diese Situation, welche man gerade erlebt, niederschreiben kann, geht vieles verloren weil man dann eben nicht in diesem Moment präsent, nicht gegenwärtig ist.

Zeit zum schreiben finde ich nur wenn ich 2 oder mehrere Tage an einem Ort verbringe.
Wenn ich nur 1ne Nacht bei einer Familie bleibe finde ich keine Zeit zum schreiben.

Schreiben ist harte Arbeit. Es fällt mir nicht so leicht wie es sich ließt.
Ein Facebook Post ist schnell geschrieben, nicht so der Blog.
Ich habe meine persönlichen Notizen welche ich mir täglich mache. Diese jedoch auszuformulieren und in eine veröffentlichbare Version zu bringen braucht Zeit.

Ich hab mich in den letzten Wochen in einem kleinen Dorf in den Bergen zurück gezogen. Es ist gut etwas langsames zu tun bevor man eine Entscheidung trifft.
Ich bin zur Ruhe gekommen, habe das 1. Jahr der Reise reflektiert und mir die Zeit zum schreiben genommen.

Und ich stellte etwas fest:
Es macht mir nach wie vor Freude zu schreiben.
Allerdings nicht mehr in Form eines täglichen Tagebuches.
Sondern in Form von Geschichten welche ich unterwegs erlebe.

In den ersten Monaten war alles neu und aufregend.
Da gab es für Euch noch fast täglich etwas zu lesen.
Es ist allein meine Schuld, und es tut mir sehr leid wenn ich Euch enttäuschen muss oder mit dem täglichen Blog Hoffnungen genährt habe, welche ich nun nicht mehr erfüllen kann.
Doch ich kann und will den Blog in dieser Form nicht aufrecht erhalten.

Nun, nach 1nem Jahr hat sich für mich der Alltag eingeschlichen.
Wer kennt das? Man hat eine neue Arbeit, eine neue Beziehung etc.
Man ist total aufgeregt, jeden Tag passieren neue spannende Sachen. Jedem möchte mann davon erzählen.
Doch irgendwann, nach ein paar Wochen, Monaten oder Jahren ist das nicht mehr so. Das einst neue ist zu einem neuen Alltag geworden.
So ist es auch mit dieser Reise. Es ist wie in jedem anderen Leben auch.

Zwar reise ich jeden Tag durch mir unbekanntes Gebiet, treffe neue Menschen und lerne Land und Kultur kennen, doch ist es nicht mehr so aufregend wie am Anfang.
Manchmal ist das Leben geizig und ich verbringe Tage und Wochen ohne etwas neues zu sehen oder zu erleben.
Und meine Aufmerksamkeit hat sich vom äußeren mehr zum inneren hin bewegt.

Hin und wieder passieren natürlich nach wie vor außergewöhnliche und neue Sachen.
Und über genau diese Geschehnisse werde ich auch berichten. Jedoch ausführlicher als zuvor in den einzelnen Tagen.
Ich möchte in Zukunft tiefergehender schreiben als jeden Tag nur über die "harten" Fakten wie das Wetter, die Landschaft und die Unterkunft.
Was ich darunter verstehe könnt Ihr im nächsten Blogeintrag über den Schulvortrag lesen.

Ich werde weiter schreiben. Das ist ein Bedürfnis für mich.
In welchen Abständen weiß ich jedoch nicht.
Ich kann nichts versprechen.
Schreiben ist etwas was ich selber erst lerne...

Ich hoffe Ihr versteht meine Entscheidung.
Ich möchte die Reise genießen. Das ist das oberste Ziel.
Andernfalls hätte ich es nicht so weit gebracht.


Was ist also in der Zwischenzeit passiert?
Zusammen mit Leanne habe ich Istanbul verlassen und bin mit ihr entlang der Marmara Küste bis Izmit gewandert.
Dort haben wir einige Vorträge an Schulen gehalten. Unterwegs bis dorthin hab ich meine erste Schallplatte in meinem Leben aufgelegt, wir haben unter anderem in Moscheen und Teestube geschlafen und einige nette Familien kennengelernt.

Leanne ist dann in Izmit geblieben und hat eine Stelle als Englischlehrerin an der Universität angenommen.
Dort wird sie nun für mind. 6 Monate bleiben bevor sie weiter reist.

Ich hab mich alleine weiter gemacht, die 3.000Km Marke überschritten und bin im Zick-Zack Kurs durch viele kleine Dörfer gewandert.

Ein Grund für die teilweise kurzen Tagesetappen waren zum einen die Berge, zum anderen das späte loskommen.
Ich liebe die türkische Frühstückskultur.
Es ist herrlich wenn es am Morgen beim Aufsehen nach frisch gebackenen Brot riecht und man bis 11:30Uhr beim Frühstück sitzt.
Es gleicht einem inhouse Picknick da man es sich auf dem Teppich gemütlich macht und meist von einem großen Runden Tablett isst.

Nun geht es nach Izmir wo ich meinen Geburtstag und das 1 jährige Jubiläum feiern, die Füße in den Sand
stecken und etwas Sonne tanken werde.
Für alle welche mich begleiten wollen: Auf der Karte könnt Ihr immer sehen wo ich mich gerade befinde.
Mein weiterer Weg für die nächsten Monate sieht wie folgt aus:

Von Izmir geht's nach Efes.
Anschließend nach Osten bis nach Pamukkale, weiter nach Süden an die Küste von Fethiye, den Lykischen Weg entlang bis nach Antalya.
Von dort aus folge ich den Paulusweg bis zum Eğirdir See. Dann nach Konya.
Von Konya geht's nach Erzurum und weiter nach Trabzon. Jedoch habe ich bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Route.

Was für mich in den letzten 4 Wochen erschwert hinzu gekommen ist, sind tägliche Kontrollen von Polizei und Jandarmarie.
Warum das?
Vor 4 Wochen ist eine amerikanische Touristin in Istanbul tot aufgefunden wurden.
Sie sind nun immer sehr besorgt um mich, was ich mache und wo ich denn hin will.

Wenn ich ihnen von meiner bisherigen Reise berichte und meine Route durch die vielen kleinen Dörfer zeige ernte ich Kopfschütteln.
Auf der anderen Seite versteh ich die Jungs komplett. Sie haben 8-10h Dienst in einer Gegend wo nicht viel passiert.
Wenn dann am Horizont ein einsamer Tourist erscheint um den sie sich kümmern können, kommt der gerade recht um die Zeit totzuschlagen.


Ganz vielen Dank an alle Leser welche mir trotz der großen Unregelmäßigkeit die Treue gehalten haben.
Ich wünsche Euch nun viel Spass beim Lesen der nächsten Blogeinträge.
Ich bin gespannt ob sie Euch gefallen und freue mich immer über Kommentare...