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Samstag, 31. August 2013

5000Km - The making of...


Ich sitze auf einem Hügel. Vor mir das unglaubliche Panorama Kappadokiens. Eine der schönsten Naturlandschaften die ich je in meinem jungen Leben sehen durfte.
Neben mir eine Zahl. Eigentlich haben Zahlen nichts besonderes an sich.
Doch diese Zahl ist anders. Es steckt so viel mehr dahinter
Auf dem Boden steht geschrieben: 5000Km.
Zusammengesetzt aus 529 Steinen. 1 Stein für jeden Tag dieser Reise.
In mir kamen so viele Erinnerungen wieder auf als ich diese Zahl zusammensetzte. Die Reise lief im Zeitraffer vor meinem inneren Auge ab. Ich sah die guten Momente, und auch die anderen, die weniger guten.

Wie ich hier hergekommen bin?
Improvisation.
Ich hatte keinen Plan, sah Länder welche ich vorher noch nie bereiste (und über die ich wenig bis garnichts wusste), und traf Menschen welche ich vorher nicht kannte.

Es war ein kalter morgen im März 2012.
Ich stehe mit gepackten Rucksack am Isartor und setze den ersten Schritt zu dieser unglaublichen Reise.
Ich war innerlich zerrissen. Zum einen war in mir die unglaubliche Freude und Neugier auf das was nun kommen wird, zum anderen war da die Angst was alles passieren könnte und all die Dinge die ich zurückließ. Einen tollen Job, Freunde und Familie, "Sicherheit".
Ich war unsicher. Sehr sogar.
Kann man das schaffen? Ohne einen Cent in der Tasche von München nach Tibet laufen?
Alles was bisher in meinem Leben geschehen ist, oder was ich bis dahin erreicht habe, war mit einmal bedeutungslos.
Ich stand wieder bei 0. Ein neuer Anfang.

Als ich mich auf den Weg machte hatte ich keine Ahnung was ich tat. Wie ich sagte, hatte ich keinen konkreten Plan. Bis heute nicht.
Und das ist großartig. Hätte ich einen Plan, wüsste ich was möglich ist und was nicht.
Doch wenn man nicht weiß das etwas unmöglich ist, sind die Dinge viel einfacher...
(Nach den Gesetzen der Physik können Hummeln eigentlich garnicht fliegen. Sie wissen das nur nicht. Und darum tun sie es einfach.)

Ich hatte mir ausgesucht etwas zu unternehmen das so speziell ist, dass ich es jetzt tun musste. Weder früher, und auf keinen Fall später.
Eines Tages wacht man auf und es ist keine Zeit mehr um all die Dinge zu tun die man gern getan hätte.
Der Traum in mir war noch frisch und voller Begeisterung. Wäre ich dem Ruf nicht gefolgt hätte ich meine Träume verraten, und hätte mir dann immer die Frage gestellt: Was wäre wohl gewesen wenn ich es gewagt hätte...
Träume die man hat, sie jedoch nicht umsetzt, werden zu einem Fluch. Sie rauben Energie. Man sieht den besseren Weg, geht jedoch den einfachen, den bekannten Weg.
Viele Menschen kennen ihre Träume sehr genau, oder kannten sie zumindest für einen Augenblick. Doch sie hatten nicht den Mut ihrem Herzen zu folgen. Und alles was sie jetzt tun ist: Tagaus, tagein die gleiche Arbeit nur um genug Geld zu verdienen damit sie genau dort bleiben können wo sie gerade sind.

Ich bin also meinen Träumen gefolgt und machte mich auf die Reise.
Und ich hätte keine geeignetere Fortbewegung wählen können als das laufen.
In gewohnter Umgebung bin ich langsam in diese Reise hineingewachsen.
Hat man mich am 1sten Tag gefragt, wie ich denn in Rumänien oder Bulgarien überleben will, ohne Geld und ohne die Landessprache zu kennen, hab ich ganz klar gesagt, dass ich dies nicht weiß. Ich wusste es zu diesem Zeitpunkt nicht.

In Deutschland und Österreich hatte ich Gelegenheit zu trainieren auf fremde Menschen zu zugehen, bevor ich in der Slowakei, Ungarn usw. auf die ersten Sprachprobleme traf.
Doch als diese dann auftraten hatte ich bereits das nötige Selbstbewusstsein antrainiert, dass ich nach kurzen Anlaufschwierigkeiten recht leicht damit fertig wurde.
Der Alltag dieser Reise lehrte mich jeden Tag etwas neues.

Ich ging also hinaus in die Welt. Ich lief, und jeh weiter ich lief, desto mehr lernte ich, und desto besser wurde ich in dem was ich tat.

Mir blieb jedoch wenig erspart. Reisen ist nicht immer nur romantisch. Die Strapazen waren teilweise enorm. Schlafmangel, Überanstrengung, Hoffnungslosigkeit, Entmutigung, Verzweiflung, Einsamkeit und Hunger...
Manchmal wollte ich etwas mit aller Anstrengung erreichen. Ich wollte es zu sehr, und genau in dem Augenblick. Ich verkrampfte und war nicht mehr natürlich. Dies waren oft die Momente in denen sich alles genau in die andere Richtung entwickelte. Weit weg von meinem erklärten Ziel.
Erfahrung war das was ich bekam wenn ich nicht bekam was ich eigentlich wollte.

Viele Menschen welche ich entlang des Weges traf gaben mir Tipps mit auf den Weg. Heute wünschte ich, ich hätte diese gut gemeinten Ratschläge früher befolgt.
Den besten Tipp bekam ich bereits am 6. Tag.
"Was du machst ist großartig. Genieße die Reise."
Doch ich tat es nicht. Der beste Ratschlag, und ich hab ihn lange Zeit ignoriert. Stattdessen machte ich mir Sorgen, wohin ich heute gehe, wo ich schlafen und was ich essen werde. Sorgen über das nächste Land, die nächste Idee oder was ich als nächstes im Blog schreiben werde. Das war lange Zeit kein Spass und ich wünschte heute ich hätte es mehr genießen können. Es war eine schöne Zeit. Doch ich verpasste vieles da ich gedanklich damit beschäftig war was als nächstes kommen, oder was alles schieflaufen könnte, anstatt den Moment der Reise zu genießen. Ich legte am Anfang sehr große Tagesdistanzen zurück, und alles nur weil ich darauf fixiert war schnell an dem mir gesetzten Ziel anzukommen.
An vielen schönen Momenten bin ich vorbeigelaufen ohne sie wahrzunehmen.
Wenn man zu schnell läuft verpasst man nicht nur die schönen Momente und vieles was um einen herum geschieht, man verliert auch das Ziel aus den Augen und vergisst den Sinn des Reisens...
Das war am Anfang die schwerste Lektion die ich lernen musste - Loslassen und genießen.
Ich weiß, es klingt so einfach. Und doch ist es so schwer umzusetzen. Und am Ende war es wiederum einfacher als ich es mir vorstellte...

Wenn ich heute zurückblicke hatte ich eine wunderbare Reise. Atemberaubend.
Ich lernte das Reisen, durch das Reisen. Ich tat alles was Spaß machte, und solange wie es sich wie ein Abenteuer anfühlte. Wenn es sich wie Arbeit anfühlte hörte ich damit auf, und überlegte ob es noch das ist was ich wirklich tun möchte.
Was nicht heißt das diese Reise nicht ab und zu arbeit ist.
Ich hätte z.Bsp. nie gedacht das ich einmal im Internet einen Blog schreiben würde. Um die Wahrheit zu sagen: Ich hasse es. Schreiben gehört nicht zu meinen stärken. Ich tu mich sehr schwer mit dem finden von Worten. Dinge zu beschreiben, die ohne Wörter viel schöner sind, gehört nicht zu meinen Talenten.
Aber wer weiß wozu es gut ist.

Ich lernte mit Fehlschlägen umzugehen und bekam eine dickere Haut was Ablehnung betrifft. Die Probleme der Fehlschläge sind schwierig.
Noch schwieriger kann es jedoch sein mit Erfolg umzugehen.
Vor der Reise wollten mir viele das Vorhaben ausreden. Als es dann sehr gut lief kamen Kommentare, dass das was ich mache dumm, egoistisch schlicht und ergreifend falsch ist und es bereits von vielen vorher schon gemacht wurde...

Kommen wir zum schönen Teil. Ich hatte auf dieser Reise so viele unglaublich schöne Momente. Momente die mich alle Anstrengung und Strapazen vergessen ließen und mir die Gewissheit gaben das es das alles Wert war. Ohh, weit mehr als das.
Ich durfte Dinge sehen, erleben und fühlen die ich mir vorher nicht erträumen konnte.
Unterschiedlichste Kulturen durfte ich kennenlernen und hautnah erleben.
Ich sah wunderschöne Orte die vorher weit meiner Vorstellung waren, ich traf Menschen und Familien welche mich aufnahmen und mit denen ich eine unvergessliche Zeit verbrachte. Menschen die mich zum nachdenken brachten und mir andere Sichtweisen aufzeigten. Ich weiß dass viele die dies hier lesen mich persönlich kennen.
Und mein ganzer Dank gilt Euch.

Und worauf ich am meisten stolz bin: Ich durfte Situationen erleben, Dinge lernen und als Person wachsen.
Und das ist für mich die größte Belohnung.
Ich reise nicht damit die Welt mich sieht, ich reise weil ich die Welt sehen möchte und um Euch ein wenig von der Schönheit dieser Welt näher zu bringen.
Ich bin so unendlich dankbar das ich diese Reise machen darf und das ich so weit gekommen bin um dies zu erleben.
Ich möchte keinen Tag missen.

Doch auch mit all der Erfahrung welche ich bisher gesammelt habe kann ich nicht Vorhersagen was als nächstes geschehen wird.
Eine Garantie gibt es nicht. Der Preis für die Freiheit ist das ungewisse. Wenn alles berechenbar wäre, würde das bedeuten dass die Zukunft bereits feststeht. Doch dann wären wir nicht frei.
Freiheit gibt es nur für den Preis der Unberechenbarkeit.
Und das ist das Leben...

Ich sitze auf einem Hügel, neben mir eine Zahl...
Die Sonne geht langsam unter, es ist schwer die Zahl hier so zurückzulassen. Nach all der Arbeit die drin steckt.
1 Stein für jeden Tag dieser Reise.
Warum hab ich das gemacht?
Um Euch 2 Sachen zu zeigen:

1.) Ich hab viel Freizeit... :)

2.) Es ist wie bei einem Puzzle. Als nur 1 Stein auf dem Boden lag konnte noch niemand ahnen was das am Ende werden wird.
Auch als 20, 30 oder 50 Steine dort lagen war es immernoch nur sehr schwer zu erkennen.
Doch mit jedem weiteren Stein wurde das Bild deutlicher.

Und so ist es mit dieser Reise. Am 1. Tag hatte ich keine Ahnung was ich tat oder wo mich diese Reise einmal hinführen wird. Auch nach 20, 30 oder 50 Tagen hatte ich keine Ahnung wie sich diese Reise verändern wird und wie sie mich verändern würde...
Dann, mit jedem weiteren Tag, wurde das Bild immer deutlicher sichtbar. Das Leben ist eine Reise von einem Tag zum nächsten...
Die 5000Km sind entstanden weil ich 1nen Fuß vor den anderen gesetzt habe. Ein Tag nach dem anderen.

Wie es nun weiter geht?
Nach Osten, immer weiter nach Osten.
Bis zum nächsten Dorf sind's noch 6Km.
Also Rucksack wieder aufgeschnallt und los geht's.
Ein Schritt nach dem anderen...