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Dienstag, 31. Juli 2012

Tag 142: Von Brasov nach Predeal - 25Km (1668Km)


Montag, 30.07.2012

Und täglich grüßt das Murmeltier.
Es ist wieder sehr früh, die Stadt schläft noch.

Doch heute verlasse ich die Stadt in Richtung Osten.
Durch die Industriegebiete von Brasov aus der Stadt hinaus.
Es geht die Strasse entlang.
Nicht sehr hübsch, doch sie ist heute wenig befahren.
Zunächst geht es relativ flach lang hin.

Aber dann wird es fies. Nach bereits 22 gelaufenen Kilometern geht es 3Km vor meinem heutigen Ziel Bergauf. Und zwar ziemlich steil mit scheinbar niemals endenden Serpentinen. Ich dachte ständig: Nach der nächsten Kurve bin ich oben.
Nee - Fehlanzeige. Es folgte eine weitere Kurve. Und noch eine. Ja, und noch eine. Und noch eine.
Kein Ende in Sicht.

Das gleiche Bild wie vor 2 Tagen.
Ich bin sowas von im Kübel.

Hier in Predeal eine Unterkunft zu finden sollte eigentlich kein Problem darstellen. Die Stadt ist im Winter eine Touristen Hochburg für Skifahrer.
Es gibt unzählige Pensionen und Hotels.

Doch direkt an der Strasse finde ich das Rathaus.
Ich wandere erstmal hinein und gucke was passiert.
Vielleicht ist der Bürgermeister grad da...

Ja ist er. Und er hat von Kollegen auch schon von mir gehört.
Im TV gesehen hat er mich noch nicht. Aber dafür gibts ja Youtube.
Er ist begeistert und sehr daran interessiert dass ich seine Stadt in guter Erinnerung behalte.

Er klemmt sich persönlich ans Telefon. Nur 1nen Anruf später kommt er mit einem Lächeln zurück.
Ich werde heute in der Kaserne übernachten.

Huch, dachte ich. Lassen wir uns mal überraschen was da kommt.
Ist 'ne Weile her das ich eine Kaserne von innen gesehen habe.

Doch es kommt entspannter als gedacht.
Es ist zwar tatsächlich eine Kaserne, allerdings werde ich in eine Art Hotel auf dem Kasernengelände untergebracht wo auch die ganzen Familien der Soldaten leben.

Fotos sind dennoch auf dem gesamten Gelände verboten.
Etwas verwundert schaut die Familie am Nebentisch als ich das Essen fotografiere.
Das lasse ich mir nicht nehmen.

Weiter passiert an diesem Tag nichts.
Gut beschützt ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und schlafe ein, gespannt darauf was der morgige Tag bringt.


Montag, 30. Juli 2012

Tag 141: Von Cabana Postavaru zurück nach Brasov - 19Km (1643Km)


Sonntag, 29.07.2012

Das hat keinen Zweck. Seit über 2h Kämpfe ich mich durch meterhohes Gras, Steige über umgestürzte Bäume und suche vergebens nach Wegzeichen.

Ich komme nur sehr langsam voran und schaue alle 10min. auf das GPS ob ich noch ungefähr auf dem Weg bin.
Nee bin ich nicht. Da wo der Weg laut Karte lang gehen sollte sind sehr hohe Klippen.

Ich setze meinen Rucksack ab und gehe den Weg erkunden.
Ich hab nicht die leiseste Ahnung.
Es ist alles so zugewachsen. Hier ist scheinbar schon seit sehr langer Zeit niemand mehr lang gewandert.

Und dabei hat der Tag so gut begonnen. Nach einem guten Frühstück mit Stefan und seiner Frau, machte ich mich anschließend auf den Weg, die letzten 200 Höhenmeter zur Postavaru Spitze in Angriff zu nehmen.
Hier genoss ich eine fantastische Aussicht.

Letzten Abend, als ich schon im Bett lag, haben die Hunde vor der Hütte angefangen zu bellen. Und sie hörten lange Zeit nicht auf.
Heut morgen beim Frühstück habe ich erfahren warum.
Ein Bär hat sich in die Nähe der Hütte "verirrt".

Also gibt es sie doch.
Und das ist ein weiterer Grund warum ich mich entschlossen habe nun umzukehren.
Wenn hier was passiert findet mich keiner - außer der Bär.

Also geht es wieder runter vom Berg.
Zurück nach Brasov. Ich bin sehr enttäuscht. Gestern 1.000 Höhenmeter nach oben gequält und heute den selben Weg wieder runter.

Da dachte ich schon ich bin der Anziehungskraft der Stadt entkommen. Aber sie zieht mich wieder zurück. Wahnsinn.
Hab ich noch nie erlebt.

Ganz klein steh ich wieder vor dem Mara Hostel.
Angie lacht und freut sich mich wieder zu sehen...
Ich erzähle ihr die Geschichte von dem nicht existierenden Weg, meiner Quälerei und dem Bären.
Sie freut sich dass ich da bin und das es mir gut geht.

Morgen geht es dann auf der Strasse nach Predeal...

Tag 140: Von Brasov nach Cabana Postavaru - 15Km (1624Km)


Samstag, 28.07.2012

Es ist früh. Von dem lauten treiben von gestern Abend ist noch nichts zu spüren. Der Platz und die Bühne ist noch leer.
Ich betrete nun wieder meine Bühne.

Die lange Pause war nötig. Aus mehreren Gründen. Zum einen wollte ich Kraft für die Karpaten tanken welche jetzt bevorstehen.
Zum anderen war es wirklich sehr schön 14 Tage das Gepâck abzustellen und jeden Abend an den selben Ort zurück zu kehren.

Aus Brasov heraus geht der Weg durch einen Wald den Berg hinauf.
Ich durchlaufe den Touristenort Poiana Brasov.

Ich weiß nicht was stärker ist. Die Anstrengung den Berg hinauf zu laufen, die Aussicht welche mit jedem Höhenmeter schöner wird oder die Freude losgelassen zu haben und wieder auf reisen zu sein.

Nur 1h später bin ich mir aber sicher.
Es ist anstrengend. Sehr sogar.
Bin ich erstmal aus dem Wald heraus wird die Aussicht zwar schöner, jedoch gehts nun in der Sonne weiter.
Und zwar steil nach oben.

Nach 3 weiteren Stunden erreiche ich die Postavaru Hütte auf 1.604m.
Ich bin fertig.
Rolf und Nelly, die Besitzer, sehen mein Elend und bieten mir an 1ne Nacht zu bleiben. Fantastisch.

Große Freudensprünge mache ich aufgrund meiner Verfassung allerdings nicht. Innerlich natürlich schon.
Ich gehe auf mein Zimmer und staune über die wunderbare Aussicht direkt aus meinem Fenster.

Kurz darauf Ich falle tot ins Bett.
Erst um 19:30Uhr wache ich wieder auf. Rechtzeitig zum Abendessen.

Nelly und Rolf sind Siebenbürger Sachsen, sprechen perfekt deutsch und führen die Postavaru Hütte seit 7 Jahren.
Klein und bescheiden.
Sie wollen dass es eine Hütte bleibt. Es soll kein Hotel oder etwas größeres werden.

Ich bekomme ein fantastisches Abendessen und alleine essen muss ich auch nicht. Gesellschaft bekomme ich von Stefan und seiner Frau. Sie sind aus Hessen und machen 14 Tage Urlaub in Rumänien.
Sie haben sich ein schönes Land ausgesucht sage ich ihnen.

Bei Wein und Bier sitzen wir noch lang und tauschen Reisegeschichten aus.

Ich bin froh dass ich meine Reise fortgesetzt habe.

Mit jedem Tag den ich in Brasov, dieser wundervollen Stadt, verbracht habe war es schwieriger wieder aufzubrechen.
Ich wurde bequem und loslassen kann manchmal sehr schwer sein.

Doch wer seine Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren...

Sonntag, 29. Juli 2012

Tag 130 - 139: Brasov (1609Km)


Mittwoch, 18.07.2012 - Freitag, 27.07.2012

Brasov Teil 2.

Einsamkeit kann dein schlimmster Feind oder dein bester Freund sein...
Oder: Ich bau mir eine Stadt...

Was ist also passiert?
Ich wünschte ich wüsste den Trick.
Es gibt kein großes Geheimnis.

Alles was ich tat, war, ich habe mich mit der Situation angefreundet.

Ich ging eines Tages in der Stadt spazieren und setzte mich in eine Gasse auf den Boden in den Schatten. Den Rücken an eine Wand angelehnt von der der Putz langsam abbröckelte.
Und ich erkannte die Schönheit des Augenblicks.
Da war der Popcorn Verkäufer der mit so einer Freude das Popcorn verkaufte, der Clown der Kinder zum lachen brachte, Menschen die ihren Hüten hinterher jagten die der Wind von ihren Köpfen geweht hatte.
Unweit entfernt spielte eine kleine Band wunderbare Musik.
Ich liebte diesen Augenblick.
Frieden. Ich vermisse nichts.
Es ist alles da.
Ich freundete mich mit der Situation an.
Es ist so wie es ist.
Und dann geschah etwas merkwürdiges.

Von da an traf ich irgendwie ständig Menschen.
Ich ging einfach auf sie zu.
Da war Jonas aus Belgien. Er fiel mir in der Stadt mit seinem großen Rucksack auf. Ich sprach ihn an ob er einen Schlafplatz suchte. Wir gingen gemeinsam zum Mara Hostel.
Angie freute sich über neue Gäste, ich freute mich dass ich ihr was gutes tun konnte und allein war ich auch nicht mehr. Jonas lud mich anschließend noch zum Essen ein.

Das machte ich von da an immer wenn ich Menschen mit großen Rucksäcken sah. Sehr oft haben sich gute Gespräche und Freundschaften entwickelt.

Nicht mehr warten dass irgendetwas passiert sondern selber handeln.
"Sei selber die Veränderung die du in der Welt sehen möchtest" hat Ghandi gesagt.

Am nächsten Tag, bei einem Konzert, welches ziemlich gut war, standen alle Menschen nur da und hörten der Musik zu.
Da ich die Musik ziemlich cool fand, hab ich angefangen zu tanzen.
Gleich darauf sprach mich Ovidou an.
Er stand mit ein paar Freunden nur ein paar Reihen hinter mir und diese tanzten auch alle. Jetzt standen wir alle zusammen und tanzten. Menschen liefen vorbei und belächelten uns. Das kenn ich schon. Wenn man 5 Monate mit einem großen Rucksack reist ist man verwunderte Blicke von anderen Menschen gewohnt. Uns war das nicht peinlich, wir hatten Spaß.
Nach dem Konzert gingen wir alle zusammen in eine Bar und haben den Abend lange ausklingen lassen.

Von da an war ich in dieser Stadt nicht mehr allein unterwegs.

Ich ging oft auf andere Menschen zu und sprach diese einfach an.
Z.Bsp. beim Open Air Kino einfach fragen ob man sich dazu setzen darf.
So lernte ich Maria und Alin kennen.

Wenn man sich selbst aus dem Weg geht, die Dinge einfach zulässt und nicht dagegen ankämpft kann der gegenwärtige Augenblick dein bester Freund sein.

Ich glaube die Angst vor Ablehnung und sich vor anderen Menschen zu blamieren ist größer als die Angst vor dem Tod. Der Tod existiert für viele Menschen nur abstrakt.
"Natürlich weiß ich das ich irgendwann sterben werde. - Ohh wie spät ist es gerade. Ich hab was wichtiges zu erledigen."

Und ich bekam sogar noch unerwarteten Besuch aus Arad.
Emil und seine Familie sind gerade auf Rumänien Tour und hatten auch Brasov auf dem Plan.
2 Tage haben wir miteinander verbracht.

Und da ich ja 14 Tage in einem Hostel untergebracht war ergaben sich hier auch ständig gute Gespräche und Freundschaften. So z.Bsp mit Daniel aus Heilbronn. Oder Lisi aus Spanien welche mich einlud das Schloss Bran mit ihr zu besuchen.

Ich liebte die Zeit in Brasov.
Dieses zu Hause Gefühl.
Jeden Tag an den selben Platz zurück kehren.

Ich hab meine Reise nicht unterbrochen.
Ich reise weiter.
Nur weil ich mich nicht weiter meinem Ziel Tibet nähere heißt das nicht das ich still stehe.
Im Gegenteil
Ich habe in dieser Stadt wieder viel gelernt. Über mich selbst und von anderen Menschen.

Danke an Angie, Jonas, Lisi, Daniel, Alin, Maria, Ovidou, Dyanna, Judy, Emil und Marco.

Danke Brasov.
Für den warmen Sommerwind in den Strassen und oben auf dem Schlossberg sodass ich die wunderbare Aussicht bei Nacht so lange genießen konnte.
Für die vielen neue Freunde welche du zu mir gebracht hast.
Für die unzähligen Open Air Kinos und Konzerte.

Erst am letzten Tag erfahre ich dass Brasov historisch auch Stephanopolis heisst. Das passt...

Donnerstag, 26. Juli 2012

Tag 126 - 129: Von Vulcan nach Brasov - 17Km (1609Km)


Samstag, 14.07.2012 - Dienstag, 17.07.2012

Brasov Teil 1.

Entschuldigt bitte meine lange Abwesenheit und Stille.
Brasov ist alles andere als still.
Es ist so viel passiert in den letzten Tagen.

Fangen wir an.

Zunächst musste ich natürlich erst einmal die letzten 17Km von Vulcan nach Brasov zurücklegen.
Diese Stadt hat eine harte Schale jedoch einen sehr weichen und süßen Kern.

Ich komme vom ruhigen Landleben und wenig befahrenen Straßen plötzlich auf 4 spurigen Schnellstraßen in die Stadt.
Und diese Schnellstraße, auf der ich in die Stadt hineinlaufe, bestimmt das Tempo der nächsten 14 Tage.

Diese Stadt scheint niemals zu schlafen.
Ich habe es noch nie erlebt dass so eine relativ "kleine" Stadt so ein Nachtleben hat.

Doch habe ich noch keine Unterkunft. Daher geht es zunähst zur Touristeninformation. Es ist Samstag und die Dame ist sehr beschäftigt. Daher frage ich lediglich nach einer Liste mit Hotels, Hostels und Pensionen im unmittelbaren Zentrum.

Damit bewaffnet geht es an die Suche.
Diese Stadt ist eine harte Nuss und macht es mir nicht leicht. Doch das setzte dem ganzen die Krone auf...

Es gibt eine Absage nach der anderen. Wie gesagt, eine harte Nuss. Zwischen den Häusern geht kein Wind, es ist mittlerweile 14Uhr und sehr sehr heiß. Schweiß rennt mein Gesicht runter.
Mein T-Shirt ist mittlerweile komplett nass und ich bin ziemlich am Ende.
Hab ich schon erwähnt dass es sehr heiss ist?
Nach 6 Absagen leidet auch die Psyche und die Stimme im Kopf fängt an zu reden. "Was für eine doofe Idee in so einem Touristenort nach einer kostenfreien Unterkunft zu fragen. Hier will jeder Geld sehen."

Dann treffe ich Angie. Sie ist die Besitzerin des Mara Hostels mitten im Zentrum der wunderschönen Altstadt.
Und was für eine wundervolle Person.
Sie fand meine Geschichte so abgefahren und cool das sie spontan anbot mich so lange zu beherbergen wie ich möchte.
Ein wunderbarer Mensch.
Ich glaube in dem Moment Flügel auf ihrem Rücken und einen Heiligenschein über ihrem Kopf gesehen zu haben.
Und so wurden aus "Ich weiß nicht wie lange ich bleibe" ganze 2 Wochen. Der längste Stopp den ich bisher eingelegt hatte.
Hätte ich nie für möglich gehalten.

Je schwieriger eine Aufgabe zu sein scheint...
Hat man sie einmal gemeistert ist die Belohnung umso größer.

Brasov hält mich also einfach gefangen.
Warum?
Von den Sehenswürdigkeiten hat diese Stadt weniger zu bieten als z.Bsp Sibiu. Damit ist man locker an 1nem Tag durch.
Selbst langjährig Einheimische hätten nie gedacht dass Brasov so ein Potenzial hat und sich jemals zu so einem Touristenwunder entwickeln würde.

Also woran liegt es?
Was sich täglich auf dem grossen Rathausplatz abspielt ist unvorstellbar.
Jeden Tag finden Konzerte, Open Air Kinos oder Festivals statt.
Und sind diese Events vorbei geht die Nacht noch lange in den Gassen weiter. Getragen vom lauwarmen Sommerwind.
Langweilig wird es hier nie.

Doch war ich zunächst immer noch neu in der Stadt. Ich kannte hier niemanden.
Und die schönste Stadt und alle Events die hier stattfinden sind allein langweilig.

Ich fühlte mich bereits nach 2 Tagen sehr einsam in Brasov.
Es ist merkwürdig.
Das passierte mir bisher in den kleinen Dörfern durch welche ich durchgelaufen bin nicht.
Wenn ich dort von Familien aufgenommen wurde, war ich Teil der Familie.

Hier in einer großen Stadt leben zwar viele Menschen, doch kennt keiner einander.
Niemals zuvor waren wir auf dieser Welt so viele. Und niemals zuvor waren wir so einsam.

Vielleicht kennt Ihr dass. Ihr zieht um, irgendwo in eine neue Stadt wo Ihr komplett neu seid, bei null anfangt und keine Freunde habt.

In einer fremden Stadt ohne Freunde ist doof.
Es kann noch so schön sein. Alleine macht es keinen Spaß.

Wie ich die Einsamkeit überwunden habe und es dann doch dazu kam, dass ich 14 Tage blieb, und nicht nach 3 Tagen schon wieder weiter gezogen bin, erfahrt Ihr im 2. Teil.