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Freitag, 6. Juli 2012

Tag 114: Von Sibiu nach Sacadate - 26Km (1460Km)


Montag, 02.07.2012

Der Abschied von Fred fällt mir sehr schwer. Uns beiden.

Ich komme heut morgen sehr schnell voran. Vielleicht weil es mir schwer fällt zurück zu blicken und dabei an die vielen schönen Momente zu denken welche ich in Sibiu hatte.
Ich denke oft: "Besser kann es doch eigentlich gar nicht mehr werden."

Zum Glück irre ich mich wie ich die nächsten Tage feststellen werde.

Ich hatte Michael ein paar Dinge mit gegeben und so ist mein Rucksack ca. 2Kg leichter. Ein weitere Grund für mein schnelles vorankommen.

Der Weg führt mich zunächst entlang einer sehr guten, jedoch wenig befahrenen Straße. So muss ich nicht ständig auf den Verkehr achten und kann getrost den letzten Tagen nach sinnieren.

Nach 16Km mache ich in Cornatel meine Mittagspause. Ich fliehe vor der Mittagshitze und verstecke mich bis 17Uhr im Schatten.

Um zu meinem Zielort für heute zu kommen muss ich einen kleinen Berg überqueren.
Und schon als ich über den Berg komme und Sacadate sehe weiß ich intuitiv, dass das ein schöner Ort werden wird.

Und tatsächlich. Ich laufe in die Ortsmitte und werde von einem Jugendlichen auf einem Fahrrad angesprochen. Er spricht etwas englisch und ich erzähle ihm dass ich eine Schlafgelegenheit suche.
Er greift zum Handy und ruft Freunde an. Leider ohne Erfolg.
Aber er gibt nicht auf und sagt mir dass im Ort ein ehemaliger Englischlehrer wohnt.
Er zeigt mir das Haus und ich mache mich auf den Weg.

"Das ist das schöne in diesen kleinen Dörfern. Jeder kennt einander und weiß was der andere kann und wo er wohnt." denke ich.

Dort angekommen, nimmt eine schöne Geschichte ihren lauf.
Ich stehe vor dem Haus, höre Stimmen und rufe laut über den Zaun. Ein Herr kommt zum Tor und öffnet mir.
Er spricht super englisch und fragt wie er mir helfen kann.
Ich erzähle, dass ich von München aus bis hier her gelaufen, auf dem Weg nach Tibet bin und für heute eine Schlafgelegenheit suche. Er sagt prompt dass er mich vor 2 Tagen im TV gesehen hat und dass es ihm eine Freude wär wenn ich heut hier übernachten würde.

Ich folge ihm in den Hof. Seine Frau kommt hinzu und sagt dass ich meinen Rucksack abstellen und mich hinsetzen und ausruhen soll. Ich bin überwältigt.

Interessanterweise fällt mir erst jetzt beim schreiben auf, dass wir kaum über mich oder meine Reise gesprochen haben.
Der Herr ist so froh nach langer Zeit wieder Englisch sprechen zu können, dass er voller Stolz seine Kenntnisse Präsentiert.

Er ist Großvater von 2 wunderbaren Kindern.
Die Kids haben derzeit Ferien und verbringen die Zeit hier auf dem Land.

Dieses Jahr ist er 70 Jahre alt geworden und hat bis vor 10 Jahren hier im Dorf Englisch und Sport unterrichtet.

Er erzählt mir dass er als Jugendlicher sehr gerne (weit) gereist wäre.
Dies ging nicht zu Zeiten vor der Revolution und daher hat er sich auf das lesen beschränkt.
Gerade Reisebücher und Reiseberichte interessieren ihn besonders.
Er hat sich früher illegal englische Reisebücher besorgt und so angefangen englisch zu lernen.

Er selber schreibt auch gerade an einem Buch voller kleiner Geschichten und Anekdoten.
Im Dorf wohnt nämlich ein 95 jahriger Herr welcher im 2.Weltkrieg gedient und 14 Jahre in Russischer Gefangenschaft verbracht hat. Eigentlich wurde er auf 25 Jahre verurteilt, durfte dann jedoch nach 14 Jahren das Gefängnis wegen guter Führung verlassen.

Er erzählt mir kleine kurze Geschichten aus diesem Buch und ich könnte stundenlang zuhören.

Es geht um schwere Zeiten, die Tragik und die Sinnlosigkeit des Krieges. So mussten die Soldaten Wochen und Monate in feuchten und kalten Schützengräben verbringen und oft verschimmeltes Brot und Würmer aus der Erde essen um sich am leben zu halten.

Aber er erzählt auch Geschichten aus seiner Kindheit.
Das Haus in dem er und seine Frau wohnen ist sein Geburtshaus.
Es gehörte schon seinen Ur, Ur Großeltern.

Und außer dem Haus haben sie auch viele Gewohnheiten mit an- und übernommen.

So gibt es zum Abendessen hausgemachtes Brot. Und zwar aus dem Holzofen und nach dem gleichen Rezept wie es die Großeltern gebacken haben. Fliesend Wasser gibt es nicht. Es wird aus dem Brunnen geschöpft und gewaschen wird sich mit 2 Schüsseln.

Ich konnte ihm noch stundenlang zuhören. Doch ich bin sehr müde und mir fallen die Augen zu.

Und auch er muss morgen früh, wenn es noch nicht so heiß ist, in den Wald um Feuerholz für den Winter zu schlagen, welches er dann anschließend mit seinem Pferd nach Hause zieht.
Genauso wie es sein Grossvater zu seiner Zeit getan hat...

Er hat sich mit diesem Leben arrangiert.
Seinen Traum zu reisen nimmt er mit in's Grab sagt er mir zum Abschied...

1 Kommentar:

  1. Hallöchen!
    Fast jeden Tag schaue ich hier rein u. ich bin überwältigt. Gerade dieser letzte Eintrag berührt mich sehr.Es ist schön das Du uns teilnehmen lässt auf Deine Reise.Weiterhin viel Erfolg.
    Ich blein am Ball.

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